Optimierung der Schallplattenabtastung

Damit die Schallplatte ihr gesamtes klangliches Potenzial ausspielen kann, sind optimale Arbeitsbedingungen für die Abtastung des Tonsignals erforderlich. Dieser Beitrag beschäftigt sich mit Maßnahmen, durch die ihr nach korrekt erfolgter Justierung des Tonabnehmers auch ohne technisches Vorwissen und mit überschaubarem finanziellem Aufwand die Wiedergabe jeder Schallplatte verbessern könnt – unabhängig von der Qualität und Preisklasse eures Plattenspielers.

Ihr verringert damit Verzerrungen und klangliche Überlagerungen und zieht einen Schleier zur Seite, hinter dem sich vorher nicht gehörte feinste Details der Aufnahmen verbergen. Einige besonders schwierige und komplexe Aufnahmen im Grenzbereich der mechanischen Abtastung werden durch diese Maßnahmen erst genießbar.

Die Abtastung von Vinyl als Tonträger ist eine mechanisch physikalische Extremleistung. Zum einen reagiert die Nadel so sensibel, dass sie fast bis in den molekularen Bereich vordringt. Zum anderen schwingt der Tonabnehmer bei seiner Fahrt durch die Rille bis zu 70.000 Mal in der Sekunde und erzeugt dabei extreme Beschleunigungskräfte. Die Beschaffenheit der Schallplattenoberfläche und die Resonanzen im Vinyl, die durch die wirkenden Kräfte der Abtastung entstehen, werden dadurch zu wichtigen Einflussfaktoren auf den Klang.

Reinigungskräfte

Beginnen wir mit der Schallplattenoberfläche. Das Alltagsverunreinigungen wie Staub, Hautabscheidungen oder Nikotin schädlich auf den Klang wirken, erscheint nachvollziehbar. Wie sieht es aber bei fabrikneuen Schallplatten aus? Früher wurde beim Pressvorgang ein Paraffin-Nebel als Trennschicht auf die Pressformen aufgebracht, der dann als Film auf den Schallplatten verblieb. Trennmittel werden heute zwar nicht mehr benutzt, allerdings kommen in der PVC-Mischung Zuschlagsmittel zum Einsatz, die die Verarbeitungseigenschaften des Materials verbessern. Wir vermuten, dass diese Zuschlagsmittel beim Pressvorgang verdampfen und sich in Form von Pressrückständen ebenfalls auf der Oberfläche absetzen. Im Netz kursieren zu diesem Sachverhalt verschiedene und teilweise widersprüchliche Meinungen. Dies mag auch daran liegen, dass sich Rezepturen des Vinyls über die Jahre immer wieder verändert haben und vermutlich auch heute keinem immer gleichen, eindeutigen Standard entsprechen. Selbst die Nachfrage bei einem uns bekannten Fertigungsleiter eines der größten Presswerke Europas brachte für uns keine abschließende Klarheit. Was wir jedoch sicher sagen können ist, dass korrekt durchgeführt auch die Reinigung fabrikneuer Schallplatten einen für uns positiven klanglichen Effekt hat und Verunreinigungen der Nadel reduzieren. Hierzu werden im Handel eine Vielzahl von Schallplatten-Waschmaschinen angeboten, von denen wir in über 40 Jahren Beschäftigung mit dem Thema viele getestet haben. Sehr effektiv aber auch kostspielig sind einige Ultraschallmaschinen. Jedoch benötigen auch diese – genau wie die konventionellen Maschinen – zur vollständigen Beseitigung der Pressrückstände sowohl eine Bürste als auch eine entsprechende Reinigungsflüssigkeit. Dies gilt auch, wenn die Hersteller teilweise Anderes behaupten. Fünfstellige Beträge braucht ihr jedoch für eine gut funktionierende Waschmaschine nicht auszugeben. Wir haben sehr gute Erfahrungen mit den Maschinen von Okki Nokki und Pro-Ject gemacht, die bereits für rund 500 Euro im Handel erhältlich sind. Wichtig ist bei den Maschinen, dass sie die Reinigungsflüssigkeit rückstandlos und schnell (idealerweise innerhalb einer Plattenumdrehung) wieder von der Oberfläche saugen.

Vorsicht bei Selbstversuchen

Bei den Reinigungsflüssigkeiten ist die Situation wenig transparent, weil die Hersteller in der Regel keine vollständigen Inhaltsangaben machen. Es gibt Produkte, die sogar zu einer Verschlechterung führen, weil sie das Material der Schallplatte angreifen können oder ihrerseits Rückstände auf der Oberfläche hinterlassen, durch die die Abnutzung von Schallplatte und Nadel erhöht wird. Lasst daher bitte auch die Finger von Selbstversuchen mit Alkohol aus der Apotheke, Glasreinigern oder Rezepten zum selber mischen. Auch wenn es engagierte Schreiber in den Internetforen besser wissen und die Preise guter Reinigungsmittel für eine Frechheit halten. Macht euch hierzu auch klar, dass vermeintlich eindeutige Inhaltsstoffe wie Alkohole in Reinheitsstufen von Haushaltsqualität bis zu ultrareinen Qualitäten angeboten werden, wie sie in der Analytik genutzt werden. Die gibt es nicht für ein paar Euro in der Apotheke. Bei unserer eigenen Arbeit nutzen wir seit vielen Jahren das (leider teure) aber hochreine und wirkungsvolle Reinigungsmittel von Audio Top. Beharrlichkeit zahlt sich übrigens bei dem etwas zeitaufwendigen Reinigungsprozedere aus: Manchmal werdet ihr auch noch nach dem zweiten oder dritten Waschgang eine klangliche Verbesserung feststellen, weil erst dann alle Rückstände vollständig entfernt sind.

Eine Wahrheit sollte man bei der Reinigung von Schallplatten jedoch nicht verschweigen: Auch korrekt durchgeführt kann es sein, dass ihr den Zugewinn an Durchhörbarkeit, Transparenz und kleinsten klanglichen Details mit einem sehr leichten Knistern erkauft, das vorher nicht zu hören war.

Optimierung der Schallplattenoberfläche

Der nächste Schritt der Oberflächenbehandlung der Schallplatte dient der Verringerung der Reibung beim Abtastvorgang. Dadurch reduzieren sich Verzerrungen, der Fremdspannungsabstand erhöht sich (geringeres Rauschen) und die Abnutzung von Nadel und Schallplatte wird fast vollständig vermieden. Das Mittel der Wahl ist Squalan, ein Kohlenwasserstoff, der u.a. in der Kosmetikindustrie Verwendung findet. Für unsere Zwecke nutzen wir ausschließlich gesättigtes, hochreines Squalan (C30 H62) aus industrieller Herstellung. Das Mittel ist extrem ergiebig (ein 50 ml Fläschchen reicht für geschätzt 10.000 Schallplatten) und nur in „homöopathischen“ Mengen zu verwenden.[/vc_column_text]

In diesem Video zeigen wir euch die korrekte Anwendung des Squalans zur Optimierung der Schallplattenoberfläche

Hierzu wird ein Fläschchen mit einem Tropfendosierer im Flaschenhals auf eine Fingerkuppe aufgesetzt und kurz auf den Kopf gestellt. Durch dieses Vorgehen wird nur ein kleiner Tropfen entnommen und ist auf dem Finger als leichter Glanz sichtbar. Anschließend wischt ihr mit dem Finger über eine samtene Schallplattenbürste hin und her und verteilt das Squalan sehr sorgfältig. Ihr bringt das Öl auf die Platte auf, indem ihr die Bürste auf die sich drehende Schallplatte setzt. Dieser Vorgang erfolgt nur einmal pro Schallplattenseite und muss nur wiederholt werden, wenn die Schallplatte gewaschen wurde. Wenn sich auf der Platte sichtbare Schlieren zeigen, war es schon zu viel des Guten. In dem Fall kann das Squalan wieder problemlos mit einer Plattenwaschmaschine entfernt werden. Ein sichtbarer Film auf der Platte kann im Dauerbetrieb bei MC Systemen Probleme bereiten, da es als Kriechöl in den Generator des Tonabnehmers eindringen kann. Bei sachgerechter Benutzung des Squalans ist diese Nebenwirkung jedoch ausgeschlossen. Schon beim nächsten Abspielvorgang werdet ihr eine deutliche Reduzierung der Verzerrungen wahrnehmen und weitere Verbesserungen stellen sich während der folgenden Abtastungen ein, während der die Nadel die Oberfläche geradezu poliert und das Öl in das Vinyl einarbeitet. Ein erfreulicher Nebeneffekt der Behandlung mit Squalan ist die einfache Entfernung von Staub auf der Schallplatte. Er wird nicht mehr verteilt, sondern haftet schon nach nur einer Umdrehung an der Samtbürste und kann dort mit dem Finger entfernt werden.

Resonanzen: Wenn die Schallplatte zum Lautsprecher wird

Als letzten Baustein zu einer optimierten Schallplattenwiedergabe beschäftigen wir uns mit den Resonanzen, die bei der Abtastung der Schallplatte entstehen. Wenn ihr mit dem Ohr nahe an den Tonabnehmer geht, könnt ihr sie sogar als leise Musik hören, weil die extremen Beschleunigungskräfte der Nadel das Vinyl zum Schwingen bringen wie eine Lautsprechermembran. Diese Schwingungen jagen als chaotisch verlaufende Resonanzen mit rund 2,2 km/Sekunde Schallgeschwindigkeit durch das Material und verursachen eine Art mechanischer Rückkopplung. Als Echo überlagern sie die primären Tonsignale der Rille und verwischen dadurch sensible musikalische Details. Ganz verhindern kann man diese Resonanzen nicht – dazu müsste man die Schallplatte fest mit einem sehr schweren und resonanzoptimierten Plattenteller verkleben. Die entsprechenden Versuche haben wir gemacht, aber diese Technik hat sich erstaunlicherweise nicht durchgesetzt… ;-). Wir raten stattdessen zu einem umsichtigen Einsatz von Matten für den Plattenteller und Schallplattenklemmen. Umsichtig deshalb, weil ihr bei Versuchen merken werdet, dass fast jede Matte oder Klemme einen klanglichen Effekt verursacht. Die nicht immer leicht zu beantwortende Frage ist die, ob euch dieser Effekt auch näher an die Musik heranbringt. Ein komplexes Thema, dem wir bei Gelegenheit an dieser Stelle einen eigenen Beitrag widmen werden. Nicht umsonst haben wir fast 20 Jahre an unserer Musikus Plattenklemme entwickelt und den Lederproduzenten unserer Matten fast zur Verzweiflung gebracht, weil jede Gerbung, Dicke oder Oberflächenbeschaffenheit des Leders seinen eigenen klanglichen Charakter hat und sich die klanglichen Qualitäten des Leders weiter verbessern, wenn es nachträglich veredelt wird.

Aus unserer Erfahrung können wir euch jedoch einige Hinweise für die Auswahl von Matten und Klemmen geben.Matten aus harten Materialien produzieren häufig einen Eigensound und tragen eher zu einer Vergrößerung des Resonanzchaos bei als dieses zu reduzieren oder zu harmonisieren. So neigt Carbon z.B. zu einem raschelnden Sound, der bei oberflächlichem Hören leicht mit präsenteren Höhen verwechselt wird.

Resonanzableitung mit der Plattenklemme

Plattenklemmen sollten mit der Achse des Laufwerks fest verspannbar sein, weil sie sonst unabhängig von ihrem Gewicht auf der Schallplatte mehr oder weniger tanzen. Die Ableitung der Resonanzen sollte über einen(!) hart angekoppelten Punkt erfolgen. Flächig aufliegende Plattenklemmen oder solche mit mehreren harten Auflagepunkten scheinen weniger effizient zu sein. Sind mehrere Materialien in der Klemme verarbeitet, fördert ein kaskadisches Prinzip (vom harten bzw. schallschnellen Material zum weichen bzw. langsamen Material) die Wirksamkeit der Ableitung bzw. Harmonisierung. Vorsicht ist bei Klemmen geboten, deren Material einen deutlich wahrnehmbaren Eigenklang besitzen: Ein „Pling“ beim Anschlagen einer Plattenklemme aus Metall ist häufig auch als klanglicher Charakter bei der Nutzung durchhörbar.

Sowohl für die Matten als auch für die Klemmen gilt, dass allein ein Mehr an Dämpfung oder Ableitung nicht zwangsläufig ein besseres Ergebnis erzielt. Aus unserer Erfahrung würden wir sagen, dass eher das rechte Maß der Reduzierung und Harmonisierung von Resonanzen zum Erfolg führt.

Vielleicht habt ihr selbst schon einmal die Erfahrung mit einer schrillen Türschelle, einer im Fahrtwind surrender Fahrradklingel oder einem scheppernden Instrument gemacht. Durch Dämpfung (z.B. Karosseriekit) können die unerwünschten klanglichen Fehltöne beseitigt werden. Aber wenn es zu viel des Guten war, macht eine Klingel plötzlich nur noch „Pock“.

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